Vera Loos

geb. 6. Juni 1955 in Saarlouis, wohnt in Saarbrücken

Foto privat

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Zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen ihrer Bilder haben Vera Loos als bildende Künstlerin über das Saarland hinaus bekannt gemacht. Zwischen 1990 und 2008 hat sie aber auch – zusammen mit Naomi Nir-Bleimling – Romane, Erzählungen und Stücke von mehr als zwei Dutzend israelischen Autoren aus dem Hebräischen ins Deutsche übersetzt.

Geboren als Vera Elisabeth Anna Fünfrocken, wächst sie in Ensdorf und Saarlouis auf, besucht das Staatliche Mädchenrealgymnasium Saarlouis, wo sie 1974 das Abitur macht; anschließend ein Jahr Sprachstudium an der Universität von Nantes, bevor sie sich an der Uni des Saarlandes für das Studium der angewandten Sprachwissenschaft (Französisch und Spanisch) einschreibt; 1980 Abschluss als Diplom-Übersetzerin.

Neben Sprachen begeistert Vera Loos immer schon die Bildende Kunst. Ab 1980 beginnt sie deshalb eine künstlerische Ausbildung; sie belegt private Kurse und Workshops bei Rolf Viva Schmitt, Marina Hartwahn, Tina Stein, Natascha Popp, Claudia Vogel u.a. 1987 nimmt sie zudem ein (Zweit-)Studium der Kunstgeschichte und Germanistik an der Uni Saarbrücken auf, gleichzeitig (ab 1990) arbeitet sie als literarische Übersetzerin.

Vera Loos hat nie literarische Texte aus den beiden Sprachen übersetzt, die sie am Dolmetscherinstitut studiert hat. Angeregt durch privaten Kontakt zu einer jüdischen Familie aus Israel Anfang der 1980er Jahre, beginnt sie modernes Hebräisch oder Ivrit zu lernen. Im Deutschland jener Zeit ist das kein leichtes Unterfangen. Es existiert noch nicht einmal ein Lehrbuch für dieses extrem komplexe, mit keiner indo-europäischen Sprache vergleichbare Idiom. Seit anderthalb Jahrtausenden ist Hebräisch eine „tote“, auf liturgische Kontexte beschränkte Sprache. Erst 1948, mit der Gründung des Staats Israel, wird sie ernsthaft „wiederbelebt“, vereinfacht, um moderne Begriffe ergänzt und im Alltag gesprochen.

Anfang der 80er bietet in Saarbrücken Miriam Rosengarten, die Frau des damaligen Musikchefs des SR-Sinfonieorchesters Gideon Rosengarten, Hebräisch-Anfängerkurse an der Volkshochschule an. Vera Loos schreibt sich für die Kurse ein. Dass es zu diesem Zeitpunkt kein hebräisch-deutsches Lehrbuch gibt, stellt kein unüberwindliches Hindernis dar; Rosengarten und Loos schreiben gemeinsam das bis heute grundlegende „Ivrit – Hebräisch Schritt für Schritt“ (Marix Verlag, erste Auflage 1992; neunte Auflage 2018).

Mit dieser Publikation hat sich Loos im Nu einen Namen gemacht. Erste Übersetzungsanfragen kommen vom Schweizer Diogenes Verlag (Meir Shalev: Papa nervt) und vom Frankfurter Fischer Verlag (Teddy Kollek: Jerusalem und ich). Allein will und kann Loos solche Aufträge nicht annehmen. Sie sucht eine Co-Autorin, eine Muttersprachlerin, und findet diese in Naomi Nir-Bleimling. Die in Saarbrücken-Dudweiler lebende, in Jerusalem geborene Israelin arbeitet als Sekretärin an der Saar-Uni. Zusammen übersetzen die beiden rund drei Dutzend Bücher aus dem Hebräischen – Romane, Kinderbücher, Dramen, Biografien – bis zu sechs Titel im Jahr! 2008 endet die Zusammenarbeit der beiden Übersetzerinnen,  Vera Loos wendet sich ganz der Malerei zu. „Meine Malerei“, sagt sie, „ist stark von meiner intensiven Beschäftigung mit der Literatur geprägt, die mich inspiriert und der ich meine Titel entnehme.“

Loos‘ Begeisterung für Sprache, Literatur und Kultur des modernen Israel wird hierzulande wenig geteilt. In den Feuilletons der deutschen Presse werden neu erschienene Bücher zwar rezensiert; in den Buchhandlungen bleibt die Nachfrage aber verhalten. Selbst die bekannteren Autoren wie Amos Oz oder David Grossman erreichen mit ihren Werken eher niedrige vierstellige Auflagenzahlen. Dabei tut der israelische Staat einiges, um die Popularität seiner Kulturschaffenden im Ausland zu fördern. Das 1962 gegründete „Institute for the Translation of Hebrew Literature“ (ITHL) unter Nilli Cohen schlägt Verlagen neue israelische Literatur zur Veröffentlichung vor und subventioniert ggf. sogar deren Übersetzung (was übrigens auch in anderen Ländern gängige Praxis ist, beispielsweise zur Förderung ethnischer / kultureller Minderheiten).

Da die wenigsten Verlage auf Lektorinnen zurückgreifen können, die auch Hebräisch lesen, werden oftmals Übersetzerinnen mit der Begutachtung beauftragt. Auf diesem Weg gelingt es den Übersetzerinnen tatsächlich, in bescheidenem Maß Einfluss auf Verlagsprogramme zu nehmen. Sie sind Kulturvermittler und „Katalysatoren“ (Loos). Und gelegentlich können sie sogar selbst in die Rolle des Entdeckers und des „Scouts“ schlüpfen.

Neben dem Namen Amos Oz (= Amos Klausner, 1939-2018), der als politischer Journalist, Mitbegründer der Friedensbewegung „Peace Now“ und Autor bekannt wurde, dessen Romane und Kinderbücher in über 30 Sprachen erschienen, fällt in Vera Loos‘ Bibliografie vor allem der von David Grossman (*1954) auf. Sieben Titel dieses „sehr innigen“ (Loos) Erzählers und Friedensaktivisten hat sie übersetzt. Weiter gilt ihr besonderes Interesse dem „magischen Realisten“ und mahnenden Journalisten Meir Shalev („Er erinnert mich an Gabriel Garcia Marquez.“) und dem „enfant terrible der israelischen Theaterszene“ Hanoch Levin (1943-1999). Levin arbeitete u.a. als Dramaturg und Regisseur am Cameri Theater in Tel Aviv, einer der renommiertesten Bühnen des Landes, und gilt in der Literatur als Erfinder des „stream of speculation“ (in Anlehnung an den „stream of consciousness“ eines James Joyce).

So wenig die meisten israelischen Autoren und Autorinnen hierzulande Anerkennung finden, so wenig wird auch die Leistung der Übersetzerinnen wahrgenommen. „Wir sind Schattenmenschen“ sagt Vera Loos. „Wir rennen den Autoren hinterher und sind besonders gut, wenn man uns nicht sieht. Erwähnt werden wir nur, wenn wir schlecht sind.“ Dabei gilt unbestritten – für alle Übersetzerinnen – dass sie „das Buch ja praktisch nochmal schreiben. Übersetzung ist eben ein künstlerischer Akt.“ pmk