Nachbarschaften im Dreieck

Grenzgänge an Our, Mosel und Chiers

Europadenkmal in Schengen

Grenzgänge im Rösselsprung. Die Natur ändert sich nicht. Ob das Land da oben an der Our nun Ardennen, Ösling oder Eifel genannt und belgisch, luxemburgisch oder deutsch regiert wird. Dafür hat es seine Drei(länder)ecksgeschichten.

Hemmeres zum Beispiel war vor 1918 deutsch, von 1918 bis 1940 belgisch, von 1940 bis 1945 deutsch, von 1945 bis 1955 belgisch und wurde dann wieder an die Bundesrepublik abgetreten. Der Schmuggel hatte Tradition. Im Zweiten Weltkrieg schmuggelte man Menschen. Luxemburgische Widerstandsgruppen bauten mit Hilfe von ortskundigen Helfern Fluchtwege nach Belgien aus. Einer der wichtigsten führte von Huldange nach Limerlé. Zwischen (belgisch) Ouren und (luxemburgisch) Lieler steht seit 1977, zu einem Drittel auf luxemburgischem und zwei Drittel auf belgischem Hoheitsgebiet, das Europa-Mahnmal. Errichtet wurde es mit Findlingen aus Belgien, Frankreich, Luxemburg und Deutschland. Das Denkmal weist weiter. Der europäische Fernwanderweg von Holland zum Mittelmeer führt hier vorbei und deckt sich auf luxemburgischem Gebiet mit dem nationalen Our-Pfad. An der Geisley bei Hosingen – nun wird es vollends international – stößt er auf den europäischen Fernwanderweg vom Atlantik bis zum Böhmerwald. Und zusammen führen beide zum nächsten Dreiländereck, diesmal an der Mosel: Luxemburg-Deutschland-Frankreich.

Dort, im „Schengener Eck“, tritt die Mosel zum letzten Mal, wie Schiller sie nannte, als „lotharingische Jungfrau“ auf und (inzwischen durch Cattenom arg gebeutelte Pucelle) über die Grenze. Zwei neue Freier warten schon. Zwischen Schengen und Wasserbillig ist die Mosel nämlich auf 36,3 Kilometer „lëtzebuergesch“ und „preisisch“ zugleich. Auf Grund des 1816 zwischen dem König von Preußen und dem der Niederlande unterzeichneten Grenzvertrages gilt der Fluss hier als „Kondominium“, er untersteht der gemeinsamen Verwaltung der beiden Anrainerstaaten. Verständlich, dass man mit der exakten Deklaration der Grenze, ob nun hüben oder drüben, schon mal seine Schwierigkeiten bekam. Die behoben fast zwei Jahrhunderte später sechs europäische Staaten gemeinsam, und unser- und andereiner kann seitdem (meist) „unschenniert“ nach drüben oder hüben wechseln. Unterzeichnet wurde die (sagen wir es lëtzebuergesch) „Conventioun“ 1985 und (nachgebessert) 1990 in Schengen, was Wunder. Eine Stahlskulptur, drei Elemente mit den drei goldenen Benelux-Sternen im Sternenkranz der EU, markiert den Erinnerungsort am Moselufer. „Passans, cette terre est libre“ stand auf dem Freiheitsbaum am andern Ufer, den 1792 ein deutscher Kriegsberichterstatter in der Campagne in Frankreich im Aquarell festhielt. Der Mann hieß Goethe.

Mit Goethe wären wir via Longwy, via Arlon auch ins dritte Dreiländereck unterwegs. Es ist das merkwürdigste. Denn da, hinter der Grenze im Südwesten, beginnt ein zweites Luxemburg, diesmal nur unter belgischer Flagge und größer als das (heutige) Großherzogtum dazu. 1839 wurde es kreiert, als Luxemburg zum dritten Mal geteilt wurde, nun zwischen den Niederlanden und dem neu formierten (Königreich) Belgien. Lëtzebuergesch als Umgangssprache ging im Areler Land vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg zu Protest. „Eis Sprooch iwert all Grenzen“ wird aber auch dagegen gehalten: „Schwätzt Lëtzebuergesch!“ … „C’est très simple: dites „Moien“ avec votre plus beau sourire.“

In multikultureller Kulisse hält es das Dreiländereck mit der Minette. 1981 schloss in Differdange die letzte Erzgrube. Seitdem wächst Gras über das „Land der Roten Erde“. Quer durch dampft das Nostalgiebähnchen, der „Train 1900“, das Ziel der große Industrie- und Freizeitpark von Fond-de-Gras. Darüber vergisst man schon einmal die Plätze von Widerstand und Verfolgung: In einer aufgelassenen Galerie der Grube „Hondsbösch“ zwischen Niedercorn und Differdange fanden 1944 über hundert Wehrdienstverweigerer Zuflucht vor der Gestapo. Am Rundwanderweg von Pétange, nahe der belgischen Grenze, steht das „Home du Passeur“. Und in Lasauvage, direkt an der französischen, erinnert eine eigene route an die „Passeure“, die hier wie im Norden die Flüchtlinge durch den Bois de Selomont heimlich aus dem besetzten Land brachten.